Würdest du dich mögen, wenn du dich treffen würdest?

von | Dez 23, 2020 | 4 Kommentare

Foto: Bob Proctor, Paradigm Shift

Würdest du dich mögen, wenn du dich treffen würdest?

Sind wir mal ehrlich. Wann stellen wir uns diese Frage? Kommt es nicht viel häufiger vor, dass wir uns fragen, ob andere uns mögen? Ist unser ganzes Bestreben nicht genau darauf ausgerichtet, dass wir geliebt werden wollen?

Es ist mehr als verständlich, dass dem so ist. Und wenn du gerade in einer Liebesbeziehung bist, die dir nicht guttut oder da ein Mann in deinem Leben ist, mit dem du gerne zusammen wärest, der sich aber nicht auf dich einlässt, dann wirst du das wahrscheinlich gerade sehr stark spüren, dass du geliebt werden möchtest.

Viele Frauen fühlen sich in diesen Beziehungen emotional abhängig und unfrei. Gleichzeitig können sie nicht loslassen und halten manchmal sogar über Jahre an diesem einen Mann fest.

Doch woher kommt das? Warum sind wir dazu bereit? Der Grund dafür ist in der Kindheit zu finden.

Wir sind ausnahmslos alle als reines Sein auf die Welt gekommen. Schau dir ein neugeborenes Baby an. Es ist einfach. Das waren wir alle mal. Dann wachsen wir heran und trennen uns von diesem Zustand des Seins je älter wir werden. Wenn das Heranwachsen von Konflikten oder traumatischen Erfahrungen begleitet ist, ist die Trennung um so stärker. Vielleicht haben deine Eltern dich nicht so behandelt, wie du es gebraucht hättest als Säugling und als Kind. Das geschieht allen von uns. Vielleicht bist du nicht geliebt worden, alleine gelassen worden. Vielleicht schätzten deine Eltern dich nicht wert und behandelten dich so als seien deine Wünsche oder deine Anwesenheit unwichtig.

Diese oder ähnliche Erfahrungen führen dazu, dass wir uns von unserem Sein, also von unserer Essenz trennen. Später, wenn wir erwachsen sind, erleben wir diese Trennung als Mangel in uns. Dieser Mangel fühlt sich an wie ein Loch. Tatsächlich ist es ja auch so, dass es vielen von uns an existentiellen Erfahrungen in der Kindheit gefehlt hat.

Im erwachsenen Alter versuchen wird dann, diese Löcher mit einem anderen Menschen zu stopfen. Der andere soll uns geben, was uns so dringlich fehlt. Jetzt ist ganz wichtig zu verstehen, dass es nicht das Verhalten des anderen ist, das uns weh tut, sondern der Versuch, unsere Löcher zu stopfen.

Es funktioniert nicht, auf diese Weise nachzuholen, was uns in der Kindheit gefehlt hat. Zwar ist verständlich, dass wir das versuchen, denn als Kind hatten wir ein Recht darauf, Zuwendung zu bekommen und waren nicht in der Lage, sie uns selbst zu geben. Doch wenn wir erwachsen sind, haben wir dieses Recht nicht mehr. Vielmehr ist es unsere Pflicht, es uns selbst zu geben. Das ist mit Eigenverantwortung gemeint. Die lernen wir leider nicht. Zumindest nicht, was unser Liebesleben betrifft. Deshalb bleiben wir auf der Beziehungsebene so oft kindlich.

Oft geschieht das völlig unbewusst, dass ich mit dem Anspruch an den anderen herantrete, dass der meinen Mangel ausgleichen soll. Solange mir das nicht bewusst ist, weiß ich natürlich auch nicht, wie ich mich anders verhalten soll. Ich spüre dann einfach nur den Schmerz, dass ich von ihm nicht bekomme, was ich mir wünsche.

Am Anfang sieht das ja meistens anders aus. Wir lernen jemanden kennen und es scheint alles perfekt zu sein. Wir verlieben uns und fühlen uns auf Wolke 7 und machen das natürlich an dem anderen Menschen fest. „Er ist so wunderbar“, sagen wir vielleicht. Doch was wir in Wirklichkeit erleben, ist der Moment, wo es gelingt, mit dem anderen unsere Löcher zu stopfen. Wir fühlen uns gewollt, angenommen, geliebt. All das, was wir als Kinder vermissen mussten.

Das geht so lange gut, bis wir erfahren, dass diese Beziehung nichts auf Dauer ist. Bis wir erfahren, dass wir uns des anderen nicht sicher sein können. Jetzt gerät alles wieder ins Wanken. „Ich liebe ihn doch so sehr“, denken wir . In Wirklichkeit ist es aber der Mangel, der jetzt wieder an die Oberfläche kommt. Jetzt fühlen wir das Loch, das durch die Trennung vom anderen ungefüllt bleibt.

Was du tun kannst, um dir zu helfen

Befrage dich. Stelle dir selbst immer wieder erforschende Fragen. Damit wendest du dich dir selbst zu und entdeckst dich selbst. Stelle dir diese Fragen vor allem auch in beide Richtungen. Also nicht nur, wenn dir das Verhalten des Mannes weh tut. Stelle dir vor allem auch Fragen an dich selbst, wenn alles super ist.

Beginne deine Selbstbefragung am besten bei Menschen, deren Verhalten nicht so eine starke emotionale Ladung in dir auslöst wie es bei dem Mann in deinem Leben der Fall ist. Je weniger emotionalen Stress wir erleben, um so schneller und besser können wir lernen.

Wähle eine Person aus deinem Umfeld, die dir so richtig guttut und wähle eine Person, bei der das nicht der Fall ist. Das kann eine Freundin oder Freund sein, Kollegin oder Kollege, Nachbar, Trainer, Coach, Chef, o.ä.

Ich stelle mich mal als Coach zur Verfügung, um dir zu zeigen, wie ich das mit der Selbstbefragung meine. In letzter Zeit habe ich auf Facebook Posts gesendet, in denen ich über andere geurteilt habe. Über die Quer denkerszene und andere Maßnahmengegner, um genau zu sein. Das hat nicht jedem gefallen, manche haben sich daraufhin von mir abgewendet.

Nehmen wir mal an, du schätzt meine Beiträge und meine Arbeit sehr und folgst mir deshalb, dann stelle dir folgende Fragen:

  • Folge ich Jivana, weil mich das, was sie macht bereichert?
  • Oder folge ich Jivana, weil ich von ihr bekomme, was ich mir selbst nicht gebe?

Das könnte z.B. so was sein wie Zuspruch, Verständnis, Mitgefühl, das Gefühl gesehen und verstanden zu werden.

Warte auf die Antwort. Sei einfach still und lass die Antwort dich finden.

Wenn du dich dann abwendest, weil dir nicht mehr gefällt, was ich poste, dann frage dich:

  • Wende ich mich jetzt von Jivana ab, weil sie nicht mehr ist, wie ich sie gerne hätte?
  • Oder wende ich mich von ihr ab, weil mir nicht gefällt, was sie macht?

Warte wieder auf die Antwort. Sei einfach still und lass die Antwort dich finden. Es ist keine intellektuelle Leistung, diese Fragen zu beantworten. Vielmehr wendest du dich dir zu und bist an deinem inneren Erleben interessiert. Das ist der erste Schritt, dich dem Mangel in dir selbst zuzuwenden, statt zu wollen, dass jemand das Loch in dir füllt.

Genauso machts du das auch mit anderen Personen. Also z.B.:

  • Ist meine beste Freundin meine beste Freundin, weil ich SIE mag?
  • Oder ist meine beste Freundin meine beste Freundin, weil sie immer auf meiner Seite ist und mir dadurch gibt, was ich mir selbst nicht gebe?
  • Bin ich verärgert wegen meines Chefs, weil ich sein Verhalten nicht gut finde?
  • Oder bin ich verärgert wegen meines Chefs, weil er mich nicht ausreichend gelobt und mir zu wenig Anerkennung geschenkt hat?

Wir sehen, dass es nicht um die Person als solches geht. Es geht vielmehr darum, was sie uns gibt oder eben auch nicht. Das ist dann der „Stoff“ mit dem deine Löcher gefüllt werden bzw. nicht mehr gefüllt werden. Das ist es, was uns glücklich bzw. unglücklich macht. Es ist nicht die Person als solche.

Wenn du dir dessen bewusst wirst, dann wird es viel leichter, emotional von einem Mann frei zu werden, der sich nicht auf dich einlassen will.

Geh mal zurück zum Anfang, als du den Mann kennengelernt hast und überglücklich warst. Tu so, als würde das jetzt gerade stattfinden und dann frage dich:

  • Bin ich jetzt so glücklich mit ihm, weil er ist wie er ist?
  • Oder bin ich jetzt so glücklich mit ihm, weil ich von ihm bekomme, was ich bekomme? Also z.B. das Gefühl gesehen zu werden, liebenswert zu sein, attraktiv zu sein, mich angenommen zu fühlen, etc.

Warte auch hier wieder auf die Antwort. Sei einfach still und lass die Antwort dich finden.

Verbinde dich jetzt mit dem, was dir Kummer im Kontakt mit ihm bereitet. Vielleicht bist du verletzt, weil du erfahren hast, dass er liiert ist. Vielleicht spürst du Schmerz, weil du jetzt weiß, dass er dich nicht will. Vielleicht bist du wütend, weil er sich immer wieder von dir distanziert und dann doch wieder ankommt. Frage dich jetzt:

  • Bin ich verletzt, weil ich verletzt sein möchte?
  • Oder bin ich verletzt, weil ich mich nicht mehr liebenswert fühle?
  • Spüre ich Schmerz, weil ich Schmerz spüren will?
  • Oder spüre ich Schmerz, weil ich nicht wichtig bin?
  • Bin ich wütend, weil ich wütend sein will?
  • Oder bin ich wütend, weil ich immer wieder alleine gelassen werde?

Du kannst auch hier nochmal gut die übergeordnete Frage stellen:

  • Bin ich verletzt, voller Schmerz, wütend, weil er nicht mehr ist, wie ich ihn gerne hätte?

Nimm dir wieder einen Moment Zeit und warte die Antwort ab.

Und dann schau, woher du das kennst, dich nicht liebenswert zu fühlen, nicht wichtig zu sein, alleine gelassen zu werden. Das sind hier nur Beispiele. Spüre in dich hinein, bevor du anfängst zu fragen, um herauszufinden, was genau es bei dir ist.

Mache dir jetzt bewusst, dass dein Gefühl der emotionalen Abhängigkeit dem Mann gegenüber daher kommt, dass das Kind von damals in dir aktiv ist. Es will, dass der Mann den Mangel füllt. Nimm diese Erkenntnis liebevoll an. Es ist nichts falsch daran, dass es so ist. Den meisten Menschen geht es so und es geschieht unbewusst. Doch du kannst das verändern. Diese Selbstbefragung hilft dir dabei, dir dessen bewusst zu werden.

Im nächsten Schritt geht es jetzt darum, den Mangel, das Loch anzunehmen. Du wirst es nie von außen füllen können. Das funktioniert nicht bzw. immer nur sehr kurzfristig. Folge ist es dann umso schmerzhafter. Immer dann nämlich, wenn der Mann aufhört, den Mangel zu füllen.

Das Loch, den Mangel anzunehmen, kann sehr unangenehm sein. Es fühlst sich wackelig und unsicher an und erstmal nicht so als könne es dich auf Dauer befriedigen. Da scheint es viel befriedigender zu sein, weiter dem Mann hinterherzulaufen, der sich nicht auf dich einlassen will. Da brauchst du dich dann nicht mit der Unsicherheit oder vielleicht auch Angst auseinanderzusetzen, die die Begegnung mit dem Mangel hat. Doch wenn du erfüllt und glücklich leben möchtest, führt daran kein Weg vorbei.

Das Schöne an dieser inneren Arbeit ist, dass du nichts tun brauchst. Du brauchst einfach nur zu sein und zu beobachten. Mehr ist es nicht. Immer zu liebevoll beobachten.

Beobachten und liebevoll sein, mehr hast du nicht zu tun.

Ich mache es nochmal an meinem eigenen Beispiel, weil ich es erst gestern wieder selbst erfahren habe. Ich hatte ja oben erwähnt, dass ich Posts auf Facebook sende, in denen ich über andere urteile. Gestern habe ich wieder eine solchen Post gesendet. Die Zeilen hatte mich berührt, weil in ihnen der Appell an Solidarität standen. Aber eben auch Urteile über die, die sich aktuell unsolidarisch verhalten. Ich hatte den Post gesendet und im gleichen Moment spürte ich Unruhe und Unfrieden in mir. Ich fühlte mich getrennt von mir. Das ist das, was typischerweise geschieht, wenn wir über andere urteilen.

Ich habe das dann einfach wahrgenommen und beobachtet und mir mit innerer Stimme gesagt: Ich nehme jetzt Unruhe in mir wahr, es fühlt sich getrennt an in mir. Wo spüre ich es? In meinem Brustraum, im gesamten Rumpf. Im Kopf spüre ich es auch. Unwohl fühle ich mich. Enger ist es in mir. Und so habe ich mich dann selbst beobachtet, während ich weiter den Dingen nachging, die ich da gerade tat.

Du brauchst dir also noch nicht mal extra Zeit nehmen. Das geht auch so. Wobei es schon noch wirkungsvoller ist, wenn du dir extra Zeit nimmst und auch leichter, wenn du darin noch nicht so geübt bist.

Das ist alles, was du zu tun hast. Beobachte dich. Wenn die Angst zu groß ist, vor dem, was du da erleben könntest, dann lass dich dabei begleiten. Es kann sein, dass du dich dann sicherer fühlst und dann ist es leichter.

Dadurch, dass du jetzt dir selbst gegenüber präsent bist, füllen sich die Löcher von innen. Einfach nur durch deine Achtsamkeit und Präsenz. Das konnten wir auch sehr schön am Montagabend in den „Liebe lernen ~ Meditationswochen“ bei der Herzmeditation sehen. Einfach das schmerzende emotionale Herz wahrnehmen. Präsent sein und erlauben, dass es schmerzt. Ihm mit Achtsamkeit, Mitgefühl und Freundlichkeit begegnen. Der Schmerz fängt an zu fließen und verlässt deinen Körper. Der Schmerz verschwindet und du fühlst eine angenehme Weite in dir.

Nichts im Außen hat sich dafür verändern müssen. Der Mann, um den es geht, verhält sich noch genau so. Doch weil du dich dir selbst zugewendet hast, beginnt sich alles in dir zu verändern. Du begegnest dir selbst. Das ist der Schlüssel zum Glück. Das ist Selbstliebe in Aktion.

Wenn ich dann nochmal frage: Würdest du dich mögen, wenn du dir begegnen würdest? Wäre deine Antwort sicher ja, oder?

Hinterlasse mir gerne einen Kommentar und schreibe mir, wie dir der Artikel geholfen hat. Bist du bereit, dich selbst zu befragen, wenn der Mann in deinem Leben sich anders verhält als du es dir wünschst?

Lass es mich wissen. Ich freue mich darauf, von dir zu lesen!

Ich wünsche dir ein wunderschönes Weihnachtsfest,

Deine Jivana

 

4 Kommentare

  1. Jivana Lohr

    Das freut mich sehr, liebe Sandra! <3

  2. Susanne

    Finde den Block sehr gut und höre deine Podcast sehr interesiert.
    Danke dafür.
    Lg Susanne

  3. Jivana Lohr

    Das freut mich, liebe Susanne! 🙂 Danke für deine Rückmeldung.
    Herzliche Grüße
    Jivana

  4. Stefan

    Alles toll, abe warum geht es hier immer nur um die Frau? Auch Männern geht es so. Das Klischee der Rollenverteilung ist nach wie vor stark in unserer Gesellschaft verankert. Ein vom Artikel entäuschter Mann.

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