Heute möchte ich mit dir über die Macht der Identifikation sprechen. Nehmen wir als Beispiel, du bist in Deutschland geboren. Heute ist es für dich selbstverständlich, deutsch zu sprechen. Mit 18 hast du den Führerschein gemacht. Heute ist es für dich selbstverständlich, Auto zu fahren.
Weder für die Sprache, noch für das Steuern eines Autos, brauchst du dich bewusst entscheiden, du tust es einfach. So ist es dir in Fleisch und Blut übergegangen.
Nehmen wir als Beispiel, du bist in einer Familie groß geworden, in der du nicht wirklich beachtet wurdest, in der dir vielleicht sogar erzählt wurde, dass aus dir eh nichts wird. Heute ist es für dich selbstverständlich, dich wertlos zu fühlen und dich in Liebesbeziehungen wiederzufinden, die dir diese Wertlosigkeit bestätigen.
Weder für das Gefühl der Wertlosigkeit, noch für die schwierigen Liebesbeziehungen, brauchst du dich bewusst entscheiden, du tust es einfach. So ist es dir in Fleisch und Blut übergegangen.
Nun denkst du vielleicht, meine Muttersprache perfekt zu beherrschen und ebenso das Autofahren sind ja sehr nützliche Dinge. Doch was soll ich denn davon haben, mich wertlos zu fühlen?
Oh, eine Menge!
Das Gefühl der Wertlosigkeit oder auch es nicht verdient zu haben, dich nicht geliebt zu fühlen, nicht dazuzugehören, nicht gewollt zu sein oder was auch immer das vorherrschende Grundgefühl in dir ist, sagt dir, wer du bist.
Und das gibt dir das Gefühl der Identität, ein zutiefst lebensnotwendiges Grundgefühl, nach dem der Mensch trachtet – zu wissen, wer er ist.
Unterschätze diese Macht der Identifikation nicht.
Ich bin dann die, die leidet. Ich bin dann die, die immer Schmerzen hat. Ich bin dann die, die immer unglücklich ist. Und so weiß ich, wer ich bin. Das schafft Sicherheit und Orientierung.
Natürlich willst du das bewusst nicht. Also lässt du dir helfen, da rauszukommen und fängst eine Therapie an, machst ein Coaching, besuchst Selbsterfahrungsgruppen, o.ä. Und jetzt kann etwas passieren, was dich am Ende sagen lässt: „Ich habe schon so viel an mir gearbeitet, doch es verändert sich einfach nichts.“
Schau mal, ob dieser Satz auf dich zutrifft und dann schau nochmal ganz genau hin, was da passiert, wenn du dir helfen lässt.
Der Grad kann da sehr schmal sein zwischen wirklich etwas verändert wollen oder deiner Identität als die Leidende, die Unglückliche Aufmerksamkeit zu geben.
Wenn es dir nun – unbewusst – darum geht, diese Identifikation mit dem Leid, Schmerz und Kummer aufrechtzuerhalten, dann ist klar, warum sich nichts verändert. Denn es ist ja gar nicht deine Absicht, dass sich etwas verändert.
Hä???, höre ich dich fragen, ich wähle doch nicht absichtlich Leid, Schmerz und Kummer, warum sollte ich das tun
Wie gesagt, einmal, weil du dann weißt, wer du bist und daraus dein Selbstgefühl erzeugen kannst. Das alleine würde schon reichen als Grund, diese Identifikation mit dem Leid aufrechtzuerhalten.
Doch es gibt noch einen anderen sehr wichtigen Grund:
Die Angst vor dem Unbekannten.
Dieser Angst zu folgen ist ja genau das Gegenteil von Sicherheit und Orientierung, die dir die Identifikation mit dem Leid schenkt. Und meistens steckt hinter diese Angst die Befürchtung, am Ende ganz alleine zu sein.
Dich auf die Angst vor dem Unbekannten einzulassen, bedeutet NICHT mehr zu wissen, wer du bist. Und das ist wuuhuuhuhu, das haben wir nicht gelernt, das hat uns keiner beigebracht bzw. das hat man dir wieder abtrainiert.
Du bist nämlich als genau die Nicht-Wissende auf die Welt gekommen. Ein Baby ist reines Sein. Als Baby wusstest du noch nicht einmal, dass du ein Mädchen bist. Das spielte für dich auch gar keine Rolle. Und irgendwann dann schon, dann hast du ein Bewusstsein dafür entwickelt, dann hat man dir einen Namen gegeben, dann hat man dir Puppen geschenkt, dann hat man dir mehr und mehr begreifbar gemacht, wer du zu sein hast als Mädchen und überhaupt als Mensch. Und das hast du dann übernommen, weil was blieb dir auch anderes übrig.
Und da schließt sich der Kreis zum Beginn meines Artikels.
Das ist das, was du gelernt hast, so wie du deine Sprache und später das Autofahren gelernt hast. Das ist es, womit du dich identifiziert hast, woraus du dein Selbstgefühl ziehst.
Und jetzt stelle ich dir ein paar Fragen, mit deren Hilfe du erkennen kannst, wie sehr du diese Identifikation mit dem Leid und Unglücklichsein noch aufrechterhalten möchtest:
- Macht das Sinn für dich, was du hier liest?
- Wie oft verteidigst du dich und sagst: Ich bin nun mal so.
- Wie oft denkst du an dein eigenes Unglücklichsein und an das, was du nicht hast in deinem Leben?
- Wie oft sprichst du mit anderen genau darüber?
- Was geschieht, wenn du dir vorstellst, es würde Plöpp machen und all dein Leid und Kummer wäre schlagartig weg?
- Bist du bereit, dieser Angst zu folgen, die entsteht, wenn du nicht mehr weißt, wer du bist?
Schreibe mir deine Antworten in den Kommentar und bringe sie somit nach außen aus dir heraus. Das wird schon einiges in dir in Bewegung bringen, denn es sind Fragen, die deine Identität nicht bedienen. Vorausgesetzt natürlich du möchtest den Mantel der unglücklichen Frau zumindest schon mal aufknöpfen.
Herzlich
Deine Jivana
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