Überwinden und besiegen – zwei Begriffe, in denen Anstrengung und irgendwie eine Art Kampf drinsteckt. Die Angst als Hindernis oder gar als Feind.
Und doch hört man es oft und überall, wenn es darum geht, frei von Angst zu werden.
Wie fändest du das, wenn das Überwinden und Besiegen gar nicht nötig wäre?
Wie fändest du das, wenn du dich gar nicht anstrengen müsstest oder gar kämpfen bräuchtest?
Könntest du dir vorstellen, dass es noch nicht einmal darum geht, frei von Angst zu werden?
Sondern, dass sie bleibt und du trotzdem all die Empfindungen und körperlichen Reaktionen, die damit verbunden sind, nicht mehr erleben müsstest?
Empfindungen wie Enge, Verschlossen sein, Starre etc. und körperliche Reaktionen, wie Atemnot, kalter Schweiß auf der Haut, taubes Gefühl in den Gliedmaßen, u.ä.?
Wenn das alles nicht mehr stattfindet, ohne dass du dich groß mit der Angst an sich beschäftigen muss, wie wäre das für dich?
Warum wir Angst haben
Angst ist eine natürliche Emotion. Ohne sie könnten wir nicht überleben. Statt sie zu bekämpfen, geht es also darum, sie als besondere emotionale Eigenschaft wertzuschätzen.
Doch wenn diese natürliche Emotion und vor allem auch Funktion der Angst aus dem Gleichgewicht geraten ist, fällt uns das nicht nur sehr schwer. Der Blick dahin, Angst wertschätzen zu können ist schier unmöglich.
Dabei geschieht rein physiologisch bei der Angst als natürliche Emotion und der – ich nennen sie -eingebildeten Angst genau dasselbe. Unser Organismus gerät in Alarmbereitschaft, stellt sich auf Flucht, Angriff oder Totstellen (Erstarren) ein, um in der bedrohlichen Situation unser Überleben zu sichern.
Wenn wir von einem Räuber überfallen werden, macht es Sinn, dass Mengen an Adrenalin unseren Körper überfluten und die Muskulatur sich bereit macht für die jeweilige Überlebensstrategie.
Doch wenn es die Angst vor Ablehnung, Versagen, vor Höhe, vor Krankheiten, u.ä. ist, macht das keinen Sinn. Denn das, wovor wir Angst haben, ist noch gar nicht eingetreten.
Wir haben also Angst vor etwas, was nicht da ist. Da ist kein Räuber, da ist nichts Gegenwärtiges.
Und doch empfinden wir die gleiche Intensität.
Was geschieht da in unserem Organismus? Was geht da vor sich, dass dieser kluge Überlebensmechanismus so aus den Fugen gerät?
Wer veranlasst die Angst, wenn da kein Räuber in Sicht ist?
Die Verursacher sind unsere Gedanken.
Doch das Verflixte daran ist, dass wir – wissenschaftlich bewiesen – bis zu 50 Gedanken pro Minute haben. Das sind hochgerechnet 80.000 Gedanken pro Tag!
Es ist einfach nicht möglich, all diese Gedanken bewusst wahrzunehmen. Was wir aber immer bewusst wahrnehmen, sind die körperlichen Reaktionen von Angst.
Wenn uns der Schweiß auf der Stirn steht, spüren wir das. Also fühlt es sich erst einmal so an, dass die Angst zuerst da ist.
Das geht aber gar nicht. Also rein physiologisch geht das gar nicht. Ohne Gedanke gibt es keine Angst!
Angst entsteht in der Amygdala, also in einem Teil des lymbischen Systems. Das haben wir mit Tieren gemeinsam.
Nun kommt unser logischer Verstand hinzu, der schon mal vorausschauend an den Auftritt morgen vor Publikum, die Bilder von Krankheiten, die tiefen Schluchten, das Ende der Beziehung denken und sich die Situation so vorstellen kann, als stünde sie vor einem, wie der Räuber.
Heißt, diese Vorstellung von etwas, was noch nicht eingetreten ist, wird eingebildet real. Und darauf reagiert dann die Amygdala mit dem Gefühl der Angst.
Entschlüssele deine Gedanken
Wenn wir nun also frei werden wollen von der eingebildeten Angst, dann ist es nötig, die Angst an sich beiseite zu lassen und uns dem Verstand zuzuwenden.
Nun gilt es zu untersuchen, welche Gedanken der Verstand so produziert und daraus real erscheinende Vorstellungen macht und somit Signale an die Amygdala gesendet werden:
Bitte Alarmbereitschaft auslösen!
Doch wie finden wir nun die Gedanken heraus, die die bestimmte Angst auslösen?
In dem wir uns selbst zuhören. Das mag am Anfang vielleicht ungewöhnlich oder schwierig erscheinen. In dem Fall empfehle ich, jemand anderen zu bitten, einem zuzuhören.
Fange an, von der Angst zu erzählen. Gib Antworten auf die Fragen wie z.B.: Was macht dir Angst? Wovor hast du Angst? Seit wann besteht die Angst schon? Wie lange leidest du schon unter dieser Angst?
Mit diesen Fragen können die angstauslösenden Gedanken entschlüsselt werden.
Und dann sei wachsam, ob du einen Unterschied in der Qualität der Gedanken hörst. Heißt, es gibt Gedanken, die sind eher Überlegungen, z.B. „Wenn ich eine schlimme Krankheit bekomme, wird es sinnvoll sein, mir einen Spezialisten zu suchen“.
Oder es können Fragen sein: Was mache ich nur, wenn ich eine ernsthafte Krankheit bekomme.
Oder Feststellungen: Gestern habe ich gelesen, dass viele Menschen ernsthafte Krankheiten haben.
Oder Überzeugungen. Und an dieser Stelle werde hellhörig!
Denn das sind in der Regel die Gedanken, die sehr viel Macht über uns haben und mit denen wir uns identifizieren.
Heißt, wir nehmen sie nicht nur wahr, wir glauben ihnen und finden dann in uns und um uns herum die Bestätigung dafür.
Überzeugungen erkennst du an ihrer Ausschließlichkeit:
Ich werde mich vor allen Leuten blamieren.
Er wird mich verlassen, weil ich zu kompliziert bin.
Ich werde krank, mir kann eh keiner helfen.
Wenn Sätze in solcher oder ähnlicher Art oft und schon lange in dir sind, können bzw. werden sie mit großer Wahrscheinlichkeit die Auslöser für die verschiedenen Ängste sein.
Sätze, Gedanken in dieser Qualität rufen das oben beschriebene Szenario hervor.
Und dieses wiederum kann dir bewusst sein oder auch völlig unbewusst ablaufen. Auf jeden Fall wird an die Schaltzentrale das Signal gesendet:
Amygdala bitte Alarmbereitschaft auslösen!
Nun taucht die Angst auf und sie muss sich natürlich anfühlen wie en Monster, das es zu bewältigen oder zu besiegen gilt, da es an Bewusstheit in ihrem Entstehungsprozess gefehlt hat.
Wenn wir aber wissen, dass es nicht die Angst an sich ist, die das Monster ist, sondern die Gedanken, dann ist schon mal der erste Schritt in Richtung Bewusstwerdung getan.
Und dann folgen ganz einfach weitere aufeinanderfolgende Schritte, mit denen wir nicht die Angst bekämpfen, sondern den auslösenden Gedanken untersuchen bzw. überprüfen.
Und beim Überprüfen der Gedanken geht es darum, dem Verstand eine neue Wahrheit zu liefern.
Eine Wahrheit, die aus deinem Inneren, deiner wahren Natur kommt, die unverfälscht und unabhängig von Prägungen und Konditionierungen ist.
Es geht darum, zu überprüfen, ob das, was bisher gedacht wurde, wirklich wahr ist oder ob es nicht eine andere Möglichkeit gibt, die auch wahr oder nicht sogar viel wahrer ist, als der Ursprungsgedanke.
Nehmen wir die Überzeugung „Ich werde krank, mir kann eh keiner helfen“.
Wenn ich das glaube und mich von dem Gedanken immer wieder überzeugen lassen, muss ich irgendwann am Rad drehen oder ich resigniere völlig und gebe auf, was auch nicht besser ist.
Und jetzt gilt es, genau das zu untersuchen.
Ich werde krank, mir kann eh keiner helfen. Ist das wahr?
Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
Wie reagiere ich, was passiert, wenn ich den Gedanken glaube: Ich werde krank, mir kann eh keiner helfen?
Wer wäre ich ohne diesen Gedanken?
Das ist eine Möglichkeit, festsitzende, machtvolle Überzeugungen zu überprüfen. Diese Möglichkeit ist The Work of Byron Katie. Sie hat diese Methode vor über 30 Jahren ins Leben gerufen.
Sicherlich gibt es noch andere Möglichkeiten, mit hartnäckigen Überzeugungen umzugehen. Doch mir ist nach 20 Jahren spirituellem Weg nichts kraftvolleres als The Work bekannt.
The Work wirkt befreiend!
Am Ende eines Work-Prozesses, der nach den 4 Fragen natürlich noch weitergeht, bist du nicht nur frei von dem belastenden Gedanken, sondern eben auch frei von deiner Angst.
Warum? Weil es keinen Signalgeber mehr gibt, der zur Amygdala sagt:
Bitte Alarmbereitschaft auslösen!
Wo kein Gedanke, da keine Angst.
Fazit: Wann immer du das nächste Mal, wovor auch immer, dieses quälende Gefühl der Angst empfindest, erinnere dich an meinen Blogartikel und sage:
„Danke Angst, dass du da bist.“
„Danke Angst, dass du mir zeigst, dass es da einen Gedanken gibt, den ich überprüfen sollte.“
„Danke, dass ich nun einen achtsamen Weg kenne und dich nicht mehr bewältigen und besiegen brauche!“
Und wenn du dich darin eine Weile geübt hast, setze noch einen oben drauf und sage:
„Danke Angst, dass du mein Freund bist.“
Und wenn du diese Dankbarkeit in deinem Herzen spüren kannst, hast du Freundschaft mit einem Teil in dir geschlossen, den die Natur dir geschenkt hat.
Herzlich
Deine Jivana
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